Wir fahren mit dem Bus von Munnar 1.5 Stunden weiter in die Berge, in die Nähe des kleinen Dorfes Koviloor. In der RoseVilla wollen wir während einem Monat Freiwilligenarbeit leisten, im Gegenzug können wir gratis übernachten und erhalten Essen. Der Besitzer hat zwei Guesthouses und möchte in einem dritten Haus eine selbstversorgende Community aufbauen. Dafür braucht er Unterstützung, denn die RoseVilla liegt irgendwo im nirgendwo und es gibt viel Arbeit. Munnar liegt auf 1400 m.ü.M, nun sind wir noch höher und das Klima ist kühl. Die Nächte sind kalt, wir tragen alle Kleider, welche wir in unseren Rucksäcken finden und frieren trotzdem. Am Morgen warten wir sehnlichst auf die Sonne und saugen die ersten Strahlen richtig auf.
Zur RoseVilla und dem nächstgelegenen Dorf gibt es eine Wasserleitung, welche in der Zuständigkeit der Regierung liegt. Die Leitung ist seit längerem kaputt, doch die Regierung kümmert sich nicht darum. Das heisst, die Einheimischen müssen sich selbst um ihre Wasserversorgung kümmern. Es ist Trockenzeit, der Monsun startet erst im Juni und das Wasser ist knapp. Wir haben meist kein fliessendes Wasser, manchmal während mehr als zwei Tagen. Auch der Strom fällt mehrmals pro Tag aus, es ist für uns aber eine bereichernde Erfahrung so zu leben. Wir überlegen uns immer zweimal, ob wir nun wirklich Wasser benötigen. Kochen, Duschen und Wasser trinken sind nicht mehr selbstverständlich.
Unsere Arbeit
Zusammen mit anderen Freiwilligen bauen wir eine Yoga-Plattform mitten im Wald. Es ist harte Arbeit den Boden von Bäumen und Pflanzen zu befreien und Steine sowie Erde zu finden, um die Plattform errichten zu können. Weiter arbeiten wir an einem Treibhaus aus PET-Flaschen, damit später Gemüse und Früchte angepflanzt werden können.
Doch das Projekt in der RoseVilla hat auch viele Schwierigkeiten. Der Besitzer, welcher wunderschöne Ideen und Visionen hat, ist mit seinen Guesthouses viel beschäftigt und hat wenig Zeit für die Freiwilligenarbeit. Er ist ständig unterwegs und betreut die Gäste. Dazu gehört auch, dass er am Abend mit ihnen am Feuer sitzen und eine Menge Alkohol trinkt. Die Region ist beliebt für indische Bachelorpartys. Ausserdem hat er Mühe gutes Personal zu finden, die jungen Inder zieht es in die grossen Städte, wo sie mehr Geld verdienen können. Niemand möchte so abgelegen arbeiten und wohnen. Wir unterstützen ihn ebenfalls bei den Unterhaltsarbeiten seiner Guesthouses, während uns die indischen Mitarbeitenden bei der Arbeit zuschauen. Selbstständiges Arbeiten sind sie sich nicht gewohnt und es braucht die ständige Präsenz des Besitzers.
Die Einheimischen, welche in dieser Region leben, führen ein extrem einfaches Leben. Sie haben wenig Verständnis dafür, was die Freiwilligen aus dem Westen hier genau machen. Freiwilligenarbeit, so etwas kann sich hier niemand leisten. Es gibt deshalb Gerüchte, dass in der RoseVilla mit Drogen und Prostitution Geld verdient werde.
Wir sind uns selbst überlassen, können tun und lassen was wir wollen. Glücklicherweise sind wir eine tolle Gruppe mit Menschen aus der ganzen Welt. Wir sind Gleichgesinnte, teilen Reiseabenteuer, spielen Gitarre und kochen gemeinsam. Wir erhalten zwar täglich die versprochenen drei Mahlzeiten, doch es erfordert jedes Mal viel Organisation und Geduld von uns allen, um an Essen und Wasser zu kommen.
Abenteuerliches Trekking im Nationalpark
Zwei Tage pro Woche dürfen wir uns von der Freiwilligenarbeit freinehmen und so entscheiden wir uns, gemeinsam im Nationalpark zu trekken. Zwar ist es ohne Guide nicht erlaubt, doch wir wollen nur eine kleine Tour machen, gleich vor unserer Tür. Wir laufen los, über einen steilen Weg hinauf in den Nationalpark, überall finden wir Stacheln eines Stachelschweines und sogar den Totenkopf eines Affen. Der Weg geht noch steiler hinauf und auf dem Gipfel angekommen benötigen wir eine Pause. Plötzlich kommen uns drei Ranger entgegen und wir spüren sofort, dass dies nichts Gutes heisst. Sie fragen uns, wo unser Führer sei und von welchem Guesthouse wir kommen würden. Wir stellen uns nichts ahnend, wir würden nur ein bisschen spazieren hätten nicht gewusst, dass dies nicht erlaubt sei. Ziemlich schnell lassen die Ranger locker und sagen wir sollen den Weg zurück ins Dorf nehmen. Wir machen uns auf den Weg und ahnen, dass es noch nicht alles gewesen sein kann. Die Ranger folgen uns, fangen an zu telefonieren und machen Fotos von uns. Wir vermuten, dass sie jemanden anrufen, der uns von der anderen Seite entgegenkommen soll.
Flucht durch den Dschungel
Wir sind uns alle einig, dass es keine gute Idee ist einer Gruppe indischer Männer alleine im Dschungel zu begegnen. Mindestens mit Bestechungsgeld müssten wir rechnen. Also laufen wir ein bisschen schneller und versuchen die Ranger abzuhängen. Als wir genügend Abstand zu ihnen haben, biegen wir rechts ab, mitten in den Dschungel hinein. Nun beginnen wir zu rennen, um nach ein paar Minuten alle total erschöpft anzuhalten, Lagebesprechung. Verstecken und abwarten? Weiter mitten durch den Dschungel? Versuchen auf einen Weg zurückzufinden? Wir sind alle leicht gestresst, völlig ausser Atem und nicht immer gleicher Meinung. Es ist eine spannende Gruppenerfahrung und wir meistern es gut. Wir entscheiden uns, mitten durch den Dschungel weiter zu laufen. Eine Person hat ein GPS auf seinem Telefon, wir können uns also nicht verlaufen. Gehen wir zurück auf einen Weg, ist uns das Risiko zu gross, dass uns die Ranger finden. Wir kämpfen uns durch den dichten Dschungel und finden den Weg zurück in die RoseVilla. Wir rechnen damit, dass später irgendjemand mit den Fotos bei uns auftaucht, was aber nicht passiert. Die Flucht ist geglückt und wir sind um ein weiteres Abenteuer reicher.
Das unbekannte Tier im Dschungel
Die Abende verbringen wir meist am Lagerfeuer bei der RoseVilla. Immer wieder hören wir es rascheln und suchen mit den Taschenlampen die Umgebung ab. Und tatsächlich, einmal läuft ein Stachelschwein an uns vorbei. Beim nächsten Mal wird das Rascheln immer lauter, sodass es ein Mensch sein könnte. Wir rufen, doch nichts kommt zurück und es wird wieder ganz still. Wir zünden mit unseren Lampen in den Dschungel und plötzlich sehen wir zwei grosse reflektierende Augen die uns angucken. Jetzt wird uns ein bisschen mulmig, trotzdem wollen wir wissen, was es ist. Wir rennen zum Haus, um uns in Sicherheit zu bringen und beobachten weiter. Plötzlich sehen wir zwei Augenpaare, sie sind gross und wir sehen wie sie den Kopf langsam bewegen und uns beobachten. Wie nahe sie uns sind, ist jedoch schwierig einzuschätzen. Wir sind alle hin- und hergerissen zwischen Angst und Neugier. Die Tiere laufen noch ein paar Mal vor unserem Haus hin und her und verschwinden dann im grossen, dichten Dschungel und verraten uns nicht, wer sie sind.
Überstürzte Abreise aus der RoseVilla
Seit unserer Ankunft will der Besitzer mit uns Formulare ausfüllen. Dies verlangt die Regierung bei Freiwilligenarbeit, genau gleich wie bei Hotelgästen. Nebst all seinen anderen Tätigkeiten schafft er es nicht, dies rechtzeitig zu tun. Deshalb taucht eines Tages die Polizei auf und sagt, alle Freiwilligen müssten die RoseVilla verlassen. Das ist die Version des Besitzers, es gibt noch weitere und wir wissen schlussendlich nicht genau, was der Grund ist. Es ist auch nicht so wichtig, wir hatten eine lehrreiche Zeit mit vielen Erlebnissen in den Bergen Indiens. Und wir haben tolle Menschen kennen gelernt, mit denen wir uns nun weiter auf die Reise durch den Süden Indiens machen.
Erzähl uns doch von deinen Abenteuern bei Freiwilligenarbeit! Wir sind gespannt.
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